Allgemeines zum Thema AD(H)S

Von AD(H)S können Kinder, Jugendliche und Erwachsene betroffen sein!
AD(H)S (Aufmerksamkeits-Defizit mit und ohne Hyperaktivität) ist keine Krankheit, sondern eine Disposition.

Zur Vereinheitlichung der Diagnose gibt es Übereinkünfte der Deutschen Kinder- und Jugendärzte bzw. Kinder- und Jugend-Psychiater zur Definition Was bedeutet AD(H)S?
Hilfen im Alltag wie Regeln, Regelmäßigkeit, Strukturen und Wertschätzung von angemessenem Verhalten geben Orientierung und unterstützen die Selbstorganisation; zugleich sind sie nützlich für das Vermeiden von Spätfolgen.

AD(H)S ist keine Krankheit! Eine Störung ist es insofern, als es schon öfter stört; außerdem ist es als solche in den internationalen Katalogen aufgeführt, nach denen Diagnosen gestellt und Therapien bezahlt werden, seit einiger Zeit glücklicherweise auch für Erwachsene. Am ehesten ist es aber eine DISPOSITION. So wie manche Menschen eher ruhig und gelassen sind oder auch phlegmatisch, wieder andere sich leicht aufregen und u.U. als jähzornig gelten, gilt für Menschen mit AD(H)S:

Sie sind oft kreativ, humorvoll, witzig, warmherzig und sehr hilfsbereit, merken aber u.U. nicht gut, was andere Menschen sich wünschen oder ablehnen. Und noch etwas: alle seelischen und körperlichen Befindlichkeiten sind nicht ausschließlich angeboren, sondern immer auch das Produkt von Anlagen und Umwelt. Diese beiden Faktoren beeinflussen sich wechselseitig.

Das bedeutet, dass jeder Mensch möglichst gute Umwelt- und Erziehungsbedingungen für seine mitgebrachten Anlagen benötigt. Erst wenn ein musikalisches Talent ein Instrument und die Gelegenheit zum Erlernen der Kunst erhält, kann ein Musiker aus ihm werden. Aber ebenso kann ein cholerisches Temperament mit Hilfe von Verständnis und zugleich klaren Regeln und Vorgaben lernen, sich zu zügeln und weder sich noch anderen zu schaden.

Die Kinder mit der beschriebenen Disposition brauchen also frühzeitig geeignete Förderung, um ihre besonderen Stärken entwickeln und Schwächen ausgleichen zu können. Dazu sind Zuwendung, Lob und Belohnung für erwünschte Verhaltensweisen hilfreich und zugleich klare Regeln, Regelmäßigkeiten, zeitliche und organisatorische Strukturen, Rituale u.a.m., um schulischen, beruflichen und sozialen Anforderungen genügen zu können (und nicht etwa ein Außenseiter zu werden).

Unruhige und risikofreudige oder verträumte Kinder sowie auch rastlose oder phlegmatische Erwachsene hat es immer schon gegeben. Die Geschichte des Struwwelpeters mit dem Zappelphilipp, Paulinchen, dem argen Friedrich und Hans-guck-in-die-Luft (Verfasser: der Kinderarzt und –psychiater Heinrich Hoffmann) ist Sinnbild dafür. Viele berühmte Menschen haben besonders in ihrer Kindheit, z.T. aber auch noch später unter den Folgen einer AD(H)S gelitten – und haben doch große Erfolg erzielt. Beispiele gefällig?
Leonardo da Vinci, Wolfgang Amadeus Mozart, Albert Einstein, Hermann Hesse, Winston Churchill, Dustin Hoffman, Whoopi Goldberg

1. Was bedeutet AD(H)S?

Wörtlich handelt es sich um ein(e) Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitäts-Störung, d.h. eine neurophysiologische Besonderheit, deren Ausprägung und Folgen von günsti­gen oder weniger günstigen Erziehungs- und Umweltbedingungen beeinflusst werden. Je früher Auffälligkeiten erkannt und hilfreiche, entwicklungsförderliche Bedingungen im Umfeld geschaffen werden, umso geringer sind eventuelle negative Folgen! Das in Klammern gesetzte H für Hyperaktivität bedeutet, dass statt Hyperaktivität auch sog. Hypoaktivität vorliegen kann, also Verträumtheit und ein eher schwacher Antrieb. In diesem Fall spricht man von ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Störung).

Neurobiologisch besteht eine Beeinträchtigung der Reizinformations-Verarbeitung. Trotz einwandfreien Arbeitens etwa der Hör- und Sehnerven nimmt das Gehirn der Be­troffenen eingehende Informationen nicht zuverlässig auf; ebenso sind bereits gespei­cherte Informationen (Rechtschreibung, Vokabeln...) nicht zuverlässig abrufbar. Insbe­sondere der Kurzzeitspeicher des Gedächtnisses ist beeinträchtigt. Es besteht eine Reizfilterschwäche: Umweltreize strömen in gleichmäßiger Intensität auf das Gehirn ein, ohne dass es diese genügend filtern und sich auf relevante Dinge konzentrieren kann. Informatio­nen müssen sortiert, markiert, gebündelt oder besonders anregend verpackt sein, um sicher anzukommen. Regeln und Regelmäßigkeiten werden schlechter verin­nerlicht und müssen deshalb besonders zuverlässig und konsequent eingeführt, verstärkt, eingeübt und aufrechterhalten werden.

In der Folge der biologischen Gegebenheiten bestehen nicht selten Lern- und Leistungspro­bleme und auch soziale Schwierigkeiten. Aufmerksamkeit und Verhalten kön­nen nur schwer gesteuert werden. Ein betroffenes Kind ist stärker und länger als andere auf Struktur- und Orientierungshilfen, Anleitung und Stärkung seiner Fähigkeiten durch Eltern, Erzieher und Lehrer angewiesen! (Es wird von einer emotionalen Reifungsverzöge­rung von bis zu 30% ausgegangen). Der Erwachsene muss sich oft mühsam Ordnungs- und Erinne­rungssysteme, Stundenpläne, Timer u.a.m. schaffen und hat es schwer, wenn ihm kein(e) hilfreiche(r) Partner(in) zur Seite steht.

Die drei Hauptsymptome eines AD(H)S sind:
Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyper- oder Hypoaktivität. 
(Nicht nur die bekannten Zappelphilippe können von AD(H)S betroffenen sein, sondern auch Träumer (häufig: Träumerinnen!) wie Hans-Guck-in-die-Luft.)

Die Aufmerksamkeits-Defizit-Störung ist leider nicht auf Kinder oder Jugendliche beschränkt. Anders als (meistens) die Hyperaktivität wächst sie sich nicht einfach aus, sondern bleibt – wenn unbehandelt - häufig als mehr oder weniger stark ausgeprägtes Symptom auch im Erwachsenenalter er­halten.

Eine sorgfältige Berufswahl ist unbedingt erforderlich, um negative Spätfolgen zu ver­meiden.

2. Hilfen im Alltag

Die betroffenen Kinder und Jugendlichen (in entsprechend veränderter, angemessener Weise auch Erwachsene mit AD(H)S) sind mehr als andere auf Halt, An­leitung, besondere Strukturen und Orientierungshilfen sowie eine verständnisvolle Um­gebung angewiesen, um glückliche und erfolgreiche Menschen sein zu können. In ho­hem Maße muss dieses durch Handlungen (mehr als durch Reden!), möglichst klare positive und negative Konsequenzen und das beiderseitige Einhalten von Verabredun­gen geschehen. Stärken des Betroffenen (Sportlichkeit, Kreativität, Musikalität, Hilfsbe­reitschaft u.a.m) müssen unbedingt genutzt bzw. gefördert werden, um "Inseln" des Er­folgs (und solche des Friedens innerhalb der Familie, der Schule und anderer sozialer Zusammenhänge) zu schaffen.

Wenig hilfreich sind dagegen: Schimpfen, Appellieren, Abwerten, das Ausmalen von grässlichen Spätfolgen, stundenlange Diskussionen, auf Einsicht hoffen....

Je stärker es gelingt, das betroffene Kind (in Elternhaus, Schule und ggf. Therapie) in ein einigermaßen angemessenes Leistungsverhalten, stabile soziale Kontakte und eine gute Berufswahl zu begleiten, umso sicherer ist es vor Spätfolgen geschützt. Für den Erwachsenen ist häufig ein gutes Coaching hilfreich, das bei der Bewältigung von All­tagsproblemen hilft. Eine Therapie sollte dann erfolgen, wenn die Lebenssituation ins­gesamt unbefriedigend ist oder gar bereits (leider nicht seltene) Folgen wie im folgenden beschrieben eingetreten sind.

3. Spätfolgen vermeiden

Selbstwertprobleme und soziale Isoliertheit sind häufige (und traurige) Folgen einer AD(H)S. Die Zahl der Klassenwiederholungen und späteren Berufswechsel ist groß.

Eine unerkannte und dementsprechend nicht behandelte AD(H)S kann bei ungünstigen Konstellationen beträchtlich abweichende Verhaltensweisen nach sich ziehen. Das Ri­siko von Depressionen, Selbstwertproblemen, Kontaktschwierigkeiten, beruflichen Problemen oder Suchtabhängigkeiten (Nikotin, Alkohol, Cannabis, Kokain etc.) und kriminellen Auffälligkeiten ist rund um ein Drittel höher als das einer Vergleichs­gruppe. Zugleich gibt es in Längsschnittstudien auch zuverlässige Hinweise darauf, dass eine gute Behandlung der Störung (unter Umständen unter Einbeziehung der Medika­tion in erster Linie durch Methylphenidat - unter dem Markennamen Ritalin, Medikinet und Equasym bekannt, als Retardform: Concerta) dieses Risiko wieder auf das normale Maß senkt.

Die Bereitschaft von Eltern, Familie und Lehrern, sich auf die Handicaps der AD(H)S-Kinder einzustellen und ihnen geeignete Hilfen anzubieten, ist also äu­ßerst wichtig!! Ebenso gilt dies für die PartnerInnen von erwachsenen Betroffe­nen, die zugleich von einer veränderten Betrachtungsweise von deren bestehen­den Schwierigkeiten und zugleich beträchtlichen Stärken profitieren werden.

Das viel zitierte „ Ritalin“ (richtiger: Methylphenidat) führt also nicht etwa, wie ebenso häufig wie fälschlich behauptet, zu einer Abhängigkeit von diesem Medikament, sondern verhindert vielmehr in hohem Maße die Abhängigkeit von Suchtmitteln und andere unerwünschte Folgen!!

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